
AW: Hilfe! Eilt! Gruppenfotos - wer hat Urheberrecht - Eilt wichtig Hilfe

Zitat von
poppi
Habe gerade eine interessante Geschichte gehört, die für mich im ersten Moment eindeutig erscheint:
bei einer großen, öffentlichen Veranstaltung wird über Lautsprecher zu einem gemeinsamen Foto aufgerufen. Ein älterer Herr ,,dirigiert" die Leute zusammen mit Hilfe auch einiger umstehender Leute zu einer Gruppe.
Er fotografiert diese Gruppe genauso wie zig andere auch (genauso wie mein Kumpel auch).
Moment - zum besseren Verständnis:
der "ältere Herr" arrangiert ein Foto, und der "Kumpel" fotografiert das sozusagen mit?
Jetzt bekommt mein Kumpel eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung wegen unerlaubter Vermarktung der Gruppenfotos. Es wurde im ersten Brief erst behauptet, der Mann hätte seit Jahren das alleinige Recht, diese Fotos herstellen und vermarkten zu dürfen. Und dann kommt ein toller Satz: ,,Der vorstehende Sachverhalt ist jederzeit durch meinen Auftraggeber beweismäßig zu belegen."
Auf einer öffentlichen Veranstaltung kann jeder fotografieren, wie er möchte (unter Einhaltung der relevanten Gesetzesvorschriften natürlich).
Sollte es sich um eine private, "geschlossene" Veranstaltung handeln, dann kann der Veranstalter durchaus das Recht, dort Fotos zu machen, an einen Dritten abtreten (üblicherweise verkauft er es dem). Und den anderen Besuchern untersagen, dort zu fotografieren.
Sollte dann doch jemand fotografieren, und diese Fotos vermarkten, liegt in der Tat ein "unlauterer Wettbewerb" vor.
Mein Kumpel verkauft die Bilder zu einem Spottpreis oder Unkostenbeitrag. Gleichzeitig hat er sie auf seiner internetseite, wo man die Bilder zum gleichen Preis auch bestellen kann.
Dieses ist dem ,,Fotografen" ein Dorn im Auge und sein Anwalt will, dass die 2 Bilder aus dem internet verschwinden, ansonsten für jeden Fall der Zuwiderhandlung 5001,- Vertragsstrafe und als Gegenstandswert die Kostennote des Streitwertes von 10.000,-. Kostennote soll 775,- sein, die der Anwalt von ihm haben will.
Das klingt alles ganz normal und korrekt.
Immer vorausgesetz natürlich, der Veranstalter hat dem "älteren Herrn" ein Exklusiv-Recht für Fotos von der Veranstaltung übertragen, und der Veranstalter war dazu auch berechtigt.
Mein Kumpel hatte einfach und kurz geantwortet: es liegt keine unerlaubte Vermarktung vor (es gibt kein Alleinvermarktungsrecht dieser öffentlichen Veranstaltung - laut Veranstalter.)
Zum besseren Verständnis nachgefragt: der Veranstalter bestreitet, irgendwem ein Exklusivrecht für Fotos von der Veranstaltung eingeräumt zu haben?
Heute findet es seine Fortsetzung:
Es wird behauptet: ,,Meinem Mandanten wurde vom GS-Führer des Veranstalters bestätigt, dass er seit mehr 10 Jahren das Recht besitzt, Gruppenfotos ...zu erstellen und zu vermarkten."
Das widerspricht jetzt Deiner vorherigen Aussage.
Der Vorwurf lautet nun: Die Bilder sind identisch mit denen des Fotografen. Dem Fotografen steht ein Urheberrecht an diesen Fotografien zu. (Meinem Kumpel als Fotografen doch auch!)
Nun ja ....
Wenn Fotograf A ein Foto "arrangiert", dann hat er das Urheberrecht daran. Wenn nun Fotograf B sich daneben stellt und auch dieses "Arrangement" fotografiert, dann ist das in der Tat eine Urheberrechtsverletzung.
Im Prinzip müsste man an dieser Stelle jetzt die Frage stellen: hat das "Werk" überhaupt soviel "Schöpfungshöhe", daß es urheberrechtlich geschützt ist?
Wenn nicht, gibt's auch keinen urheberrechtlichen Schutz.
Aber: bei Fotos ist diese Schöpfungshöhe nicht erforderlich, Fotos sind nämlich auch bei fehlender Schöpfungshöhe immer noch als "einfache Lichtbilder" (§72 UrhG) geschützt (mit kürzerer Schutzfrist).
Allerdings... die durchaus spannende Frage stellt sich nun wiederum: entsteht bereits durch das "Arrangement" für das Foto ein Schutz eines "einfachen Lichtbildes"...??
Beim "Lichtbildwerk" (§2 UrhG) ist das einfach zu beantworten: die "Schöpfung" des urheberrechtlich geschützten Fotos beginnt bereits mit dem Arrangement durch den Fotografen. Da stellte sich also nur noch die Frage: hat dieses Arrangement soviel Schöpfungshöhe, daß überhaupt ein Lichtbildwerk entsteht?
(Ich tendiere aus dem Bauch heraus dazu, dies zu verneinen.)
Das "einfache Lichtbild" wird aber nicht wegen seiner "Schöpfungshöhe" geschützt, sondern einfach deshalb, weil es ein Lichtbild ist... Und beim Arrangieren der Leute gibt es noch kein Lichtbild, auch kein einfaches.
*grübel*
Was die urheberrechtliche Frage betrifft, könnte so ein Fall vielleicht "Rechtsfortbildung" schaffen, bei einem Gerichtsverfahren...
Aber die urheberrechtliche und die wettbewerbsrechtliche Lage sind hier zwei völlig von einander getrennte Baustellen.
Sollte die Vermarktung der Fotos nicht unterbleiben, wird eine Unterlassungsklage bei Gericht eingeleitet.
Der Anwalt erwartet nicht nur eine schriftliche Erklärung, sondern auch die Begleichung der Kostennote in Höhe von diesen 775,- bis nächste Woche.
Wäre dies jetzt ein realer Fall und nicht nur eine "akademische Übung" (Rechtsrat im Einzelfall ist Anwälten vorbehalten!), dann würde ich denken: wenn ein Anwalt erst mit Argument A kommt (Wettbewerbsrecht) und danach mit Argument B (Urheberrecht), dann weiß er selber nicht genau was er will, und das spricht nicht gerade für eine solide Rechtsposition. Aber das ist Spekulation.
Der Fotograf ist ein ungelernter Fotograf, der mit einer analogen, ca. 20 Jahre alten Kamera seine Rente aufbessert. er verkauft die Bilder an die Fotografierten genauso wie er sie manchmal an Zeitungen gegen Honorar verkauft.
Welcher Fotograf? Der "ältere Herr" oder der "Kumpel"?
So oder so ist das aber ohne jede Bedeutung.
Jetzt die Frage:
Reicht das überwiegend alleinige bloße Zusammenstellen einer oder dieser Gruppe (ca. 50 Pers.) in einem Zelt bei einer öffentlichen Veranstaltung mit ungefähr 3000 Gästen aus, so eine Kostennote zu verlangen??
Das ist nicht die Frage.
Die Frage ist: hat der "ältere Herr" irgendeine Rechtsgrundlage, gegen das Verbreiten und Verwerten der Fotos des "Kumpels" vorzugehen?
Wenn ja, dann bewegen sich sowohl die Forderung als auch die Kostennote im grünen Bereich; die Kostennote ergibt sich übrigens aus der gesetzlichen Gebührenordnung für Rechtsanwälte.
Kann man so ein Foto überhaupt in der Öffentlichkeit schützen??
Grundsätzlich: ja. Aber das kommt, wie gesagt, auf das Foto an.
Wenn ich (zufällig auch Fotograf) mir ein "Model" nehme (irgendeine Person), dieses Model irgendwo herumturnen lasse und damit ein Foto gestalte, dann hat niemand das Recht, sich daneben zu stellen, dieses von mir gestaltete Foto "mitzufotografieren", geschweige denn es zu verwerten. Er kopiert dann nämlich nicht nur meine Bildidee (das wäre meistens noch zulässig), sondern auch meine konkrete Bildgestaltung - und das ist unzulässig.
Bei einer Veranstaltung 50 Leutchen zusammenzuschaufeln ist aber nun zwar eine lästige Arbeit, aber noch nicht unbedingt automatisch "urheberrechtlich geschützte Gestaltung". Um das einzuschätzen, müsste man sich das Bild dann schon mal genauer ansehen. (Denkbar ist auch das. Wenn der Fotograf für sein Gruppenbild eine besonders originelle Idee hat...)
Kann man da von Schadensersatz sprechen?
Wenn eine Rechtsverletzung vorliegen sollte: ja. Selbstverständlich.
Spielt das Veröffentlichen im Internet eine weitere Rolle??
Wenn tatsächlich Exklusivrechte des "älteren Herren" bestehen: ja.
So ein Foto kostet zwischen 2 und 9 Euro. Von Gewinn kann man da nicht unbedingt sprechen.
Wenn tatsächlich Exklusivrechte des "älteren Herren" bestehen, dürfte das Bild nicht mal kostenlos verbreitet werden.
Reicht eine Fristsetzung von 1 Woche aus?
Ja. Vollkommen. Diese Zeit reicht aus, um sich ggf. kundigen Rat von einem Anwalt zu holen.
Was soll mein Kumpel jetzt bloß machen?
Ich denke mal, der "Rechtsrat" "Geh zu einem Anwalt" ist der einzige uneingeschränkt erlaubte Rechtsrat, den man konkret jemandem geben darf, ohne selber Anwalt zu sein.
In diesem Fall empfiehlt sich übrigens dringend ein auf Medienrecht (Urheberrecht) und/oder Wettbewerbsrecht spezialisierter Anwalt. (Praktischerweise gehen beide Bereiche gern zusammen.)
Passende Anwälte nennt einem gern die Anwaltskammer, man kann aber auch über das Internet Anwaltssuchen machen, die recht ordentliche Ergebnisse bringen.
Der Anwalt ist hier übrigens allein schon deshalb sehr zu empfehlen, weil erstmal gründlich und kompetent der vollständige Sachverhalt analysiert werden muß.
Ansonsten denke ich mal: die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Falles dürfte deutlich einfacher sein als die urheberrechtliche.
Geändert von TomRohwer (15.10.2010 um 02:10 Uhr)
Was ich schreibe, ist nicht als "Rechtsberatung im Einzelfall" zu verstehen.